Underwater Vision

Ausgangssituation

Offshore-Anlagen, Staumauern und viele andere Infrastruktur-Einrichtungen unter Wasser werden meist immer noch visuell bzw. manuell durch Taucher inspiziert. Die Nachteile dieser Vorgehensweise sind hinlänglich bekannt: Sie ist gefährlich, kostenintensiv, zeitaufwendig und ermöglicht dennoch häufig keine vollständige Bewertung. Aus diesen Gründen besteht die Notwendigkeit, die Inspektion unter Wasser zu automatisieren. Dies setzt die Verfügbarkeit von bildgebenden Sensoren voraus, die in der Lage sind, die Infrastrukturen und ggf. vorhandene Defekte umfassend zu erfassen.

Heute eingesetzte bildgebende Verfahren für den Unterwasser-Bereich beruhen meist auf Sonarsensoren, die für das Medium Wasser vorteilhafte Eigenschaften (z.B. eine relativ große Reichweite) besitzen. Dennoch haben solche Sensoren wesentliche Nachteile: Der immense Informationsgehalt, der in Textur und Oberflächenreflektanz liegt, und die Möglichkeit zur intuitiven Sichtprüfung durch den Menschen gehen verloren.

Der Grund dafür, dass kamerabasierte bildgebende Verfahren üblicherweise nicht unter Wasser eingesetzt werden, liegt in den technologischen Herausforderungen, welche bei solchen Systemen auftreten. Bestehende Kamerasysteme scheitern häufig an den schlechten Sichtverhältnissen unter Wasser, die durch Lichtstreuung, Lichtbrechung, Absorption und im Wasser befindliche Partikel verursacht werden. Die Resultate heutiger bildgebender Verfahren unter Wasser sind folglich meist kontrastschwache, unscharfe und verrauschte Bilder.

Außer den genannten Aufgabenstellungen würden auch weitere Anwendungsfelder – etwa die Erkundung des Meeresbodens, die Exploration von Bodenschätzen wie z.B. Manganknollen oder die Suche nach Wracks – vom Einsatz kamerabasierter bildgebender Verfahren profitieren

Aufgabe

Projektbeschreibung

Zur Lösung dieser Aufgabenstellungen werden am IOSB im Rahmen des Projekts »Underwater Vision« Verfahren der Bildverarbeitung erforscht und umgesetzt. Das Projekt ist Teil des Themengebiets Unterwasser-Inspektion im Geschäftsfeld Inspektion und Sichtprüfung, zu dem u.a. auch die Entwicklung einer tiefseetauglichen Inspektionsplattform zählt . Die Gesamtaufgabe, die das Kamerasystem erfüllen muss, kann in drei Teilaufgaben gegliedert werden. Diese Vorgehensweise spiegelt das Ineinandergreifen zwischen den vorhandenen Umgebungsbedingungen, der Schaffung optimaler Aufnahmebedingungen und der nachfolgenden Bildverbesserung wider:

  • Bestimmung der Eigenschaften des Mediums und der Szene:
    Da die Verminderung der Bildqualität unter Wasser im Wesentlichen von der Lichtabsorption und -streuung und dem Abstand zwischen Kamera und Szene abhängt, müssen Absorptions- und Streukoeffizienten und die Entfernung zur Szene geschätzt werden. Die Schätzung dieser Eigenschaften des Mediums geschieht durch die Aufnahme von Lichtstrahlen, die durch Laser erzeugt und im Medium gedämpft und aufgefächert werden.
    Die Schätzung der Distanz zwischen Kamera und Szene ist durch Standardverfahren wie z.B. Stereo-Ansätze für den Einsatz unter Wasser wegen der schlechten Sichtverhältnisse fehleranfällig und nicht robust. Eine Verbesserung der Distanzschätzung kann durch die Fusion verschiedener Ansätze realisiert werden. Dazu gehört die Kombination von Stereo-Verfahren und Verfahren, welche die entfernungsabhängige Kontrastverminderung auswerten.
  • Bestimmung der optimalen Beleuchtungs- und Kameraparameter:
    Um schon im Vorfeld der Bildauswertung möglichst gute Voraussetzungen für die Bildverbesserung zu schaffen, müssen die Beleuchtungs- und Kameraparameter optimiert werden. Dazu gehören u.a. die Anpassung der Farbzusammensetzung der Beleuchtung, der Bestrahlungsstärke und die optimale Wahl der Belichtungszeit der Kamera. All diese Faktoren müssen online während der Aufnahme bestimmt werden, da optimale Aufnahmebedingungen von den ggf. zeitveränderlichen Eigenschaften des Wassers und der Szene, z.B. der Entfernung zu Objekten, abhängen.
  • Verbesserung der Bildqualität durch Bildrestauration:
    Aufgabe der Bildrestauration ist es, ein Bild zu erzeugen, das möglichst ähnlich zu einem ohne Störeinflüsse – d.h. ohne Absorption, Streuung und Brechung – aufgenommenen Bild ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine möglichst exakte physikalische Modellierung der Ausbreitung des Lichts unter Wasser sowie dessen Simulation notwendig. Die darauf aufsetzenden Verfahren haben die Aufgabe, mit den geschätzten Eigenschaften des Wassers und der Szene den Bildinhalt, wie er ohne Störeinflüsse zustande gekommen wäre, zu restaurieren. Ziel ist es dabei nicht, ein möglichst »schönes« Bild zu erhalten, sondern das Bild so zu rekonstruieren, wie es in Realität, aber ohne Störungen durch das Wasser aussähe.

Damit ist am IOSB eine automatisierte Vorgehensweise verfügbar, um – im Rahmen des physikalisch Machbaren – die bestmögliche Information aus unter Wasser aufgenommenen Bildern zu ziehen. Der Einsatz von Kamerasystemen zur Unterwasser-Inspektion wird damit erst ermöglicht.