Lehrstuhl für Interaktive Echtzeitsysteme

Verteilte Kooperation kognitiver Automobile

SFB/Tr 28 Kognitive Automobile

Der Sonderforschungsbereich/Transregio 28 Kognitive Automobile wurde Anfang 2006 eingerichtet und bestand bis Ende 2010. Beteiligt waren Institute der Universität Karlsruhe (TH), der Technischen Universität München, der Universität der Bundeswehr München, der Fraunhofer-Gesellschaft und des Forschungszentrums Karlsruhe. Ziel war die automatische Wahrnehmung, Analyse und Generierung des Verhaltens von Fahrzeugen im Straßenverkehr. Das Arbeitsgebiet erstreckte sich von der Sensordatenauswertung, insbesondere der Bildverarbeitung, über die Informationsfusion bis hin zur autonomen Verhaltensentscheidung mit wissensbasierten Systemen. Damit das ausgewählte Verhalten soll anschließend ausgeführt und überwacht werden kann, wurde auch an der Regelungstechnik und Fahrzeugaktorik geforscht.

Das Thema Sicherheit bildete einen Schwerpunkt des ganzen Projekts, von der Sicherheitsbewertung der Aktorik bis hin zu intelligenten Verhaltensstrategien zur Unfallvermeidung durch Kooperation von Fahrzeugen.

Teilprojekt B3: Verteilte Kooperation

Am Lehrstuhl für Interaktive Echtzeitsysteme und am Fraunhofer Institut für Informations- und Datenverarbeitung (heute Fraunhofer IOSB) wurde das Teilprojekt B3 Verteilte Kooperation bearbeitet. Darin wurde das kooperatives Verhalten von miteinander kommunizierenden Fahrzeugen im Straßenverkehr erforscht, mit dem Ziel Sicherheit und Komfort zu erhöhen.

Dazu werden neben der vielfältigen heute oder zukünftig im eigenen Fahrzeug verfügbaren Information (Abstands-, Wettersensor, Navigationssystem, etc.) Daten mit anderen Fahrzeugen ausgetauscht, um ein besseres Bild der Verkehrslage zu erhalten.

Dadurch lassen sich Gefahrensituationen wie beispielsweise das Heranfahren an ein Stauende an einer unübersichtlichen Stelle entschärfen, indem die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer durch Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation rechtzeitig gewarnt werden.

Das Teilprojekt B3 geht aber noch über solche Warnszenarien hinaus. In einigen Verkehrssituationen genügt ein Austausch von Wahrnehmungsdaten nicht, vielmehr ist hier ein abgestimmtes Verhalten mehrerer Fahrzeuge erforderlich.

 

Beispielsweise bei einem Ausweichmanöver auf einer mehrspurigen Straße müssen sich die beteiligten Fahrzeuge untereinander abstimmen, um in einer gemeinsamen, synchronen Bewegung dem Hindernis auszuweichen. Damit es nicht zu einer Kollision des ausweichenden Fahrzeugs mit einem weiteren Verkehrsteilnehmer kommt, muss dieses Fahrzeug sicherstellen, dass die anderen beteiligten Fahrzeuge ihre Teilaktivität des gemeinsamen Ausweichmanövers verlässlich und rechtzeitig ausführen.

Auch bei Überholmanövern kann kooperatives Verhalten Unfälle vermeiden, etwa indem einem überholenden Verkehrsteilnehmer durch abgestimmtes Handeln der Fahrzeuge auf der rechten Spur das rechtzeitige Einscheren ermöglicht wird.

Dieses kooperative Handeln erfolgt durch Zusammenfassung der relevanten, beteiligten Fahrzeuge zu einer - wenn notwendig - gemeinsam handelnden Einheit, der Kooperativen Gruppe. Alle wesentlichen Informationen einer komplexen Gesamtsituation werden im Gemeinsamen Lagebild gebündelt. Die Fahrzeuge einer Kooperativen Gruppe erstellen das Gemeinsame Lagebild, bewerten die Verkehrssituation und generieren eine gemeinsame Handlungsempfehlung und ggf. in Gefahrensituationen eine gemeinsame Handlungsanweisung, die dann von allen betroffenen Fahrzeugen gemeinsam und abgestimmt umgesetzt wird.

Ziele des Teilprojekts B3

  • Erschließung des Potenzials, das im kooperativen Handeln der verschiedenen an einer Verkehrssituation beteiligten Fahrzeuge liegt: kooperative, multikriterielle Entscheidungsfindung.
  • Behandlung sicherheitsrelevanter Fragestellungen, die vorübergehend abgestimmtes Verhalten mittels automatischer Eingriffe erfordern.
  • Formale Beschreibung von Kooperativen Gruppen (KG):
    • Kriterien für Zu- und Abgänge, Bildung, Teilung, Vereinigung, Auflösung,
    • Repräsentation auf den verteilten Rechnern,
    • Kommunikation mit anderen KGs.
  • Fusion aller relevanten in einer Kooperativen Gruppe verfügbaren Informationen (sensorielle Informationen, Zustände, Fähigkeiten, Missionen, Intentionen) zu einem gemeinsamen dynamischen Lagebild in Bezug auf:
    • kooperierende Fahrzeuge,
    • relevante Objekte,
    • wechselseitige Beziehungen,
    • relevante Umgebungsbedingungen.
  • Erkennung von Gefahrensituationen, die von den Fahrern nicht mehr beherrscht werden können.
  • Planung kooperativer Fahrmanöver zur Unfallvermeidung in Gefahrensituationen.

Methoden im Teilprojekt B3

  • Methoden zur formalen Beschreibung des Lagebilds:
    • Ontologien: Modellierung von Situationen, regel- und logikbasierte Inferenz, Situationserkennung
    • Bayessche Netze
  • Methoden zur optimalen, verteilten Entscheidungsfindung:
    • Kooperative Bewegungsplanung
    • Statistische Entscheidungstheorie
  • Agentenbasierte Simulation: Modellierung, Simulation und Verifikation in festgelegten Beispielszenarien.
  • Leistungs- und Zuverlässigkeitsbewertung der genannten Methoden.

Ergebnisse von Teilprojekt B3

Mit Hilfe eines Verkehrssimulators wurden die Machbarkeit der verteilten Gruppenbildung und der Sicherheitsgewinn durch kooperative Fahrmanöver in Gefahrensituationen gezeigt. Verschiedene Algorithmen zur kooperativen Bewegungsplanung wurden verglichen. In zahlreichen Szenarien sind die untersuchten Algorithmen hinsichtlich der Unfallvermeidung erfolgreicher als Standardverfahren wie die prioritätsbasierte Planung. Das Potenzial für eine echtzeitfähige Implementierung der Algorithmen wurde aufgezeigt.