Automatische Sichtprüfung
In der Automatischen Sichtprüfung wurden im vergangen Jahr Verfahren der Ellipsometrie, Spektroskopie, konfokalen Mikroskopie, Deflektometrie, Lasertriangulation und Lichtfeldansätze erforscht. Dabei wird die gesamte Kette von der Bildgewinnung über die Bildverarbeitung bis zur Nutzung der Bildinformation betrachtet. Verfahren der Optik, der Signalverarbeitung, der Mustererkennung und der Informationsfusion werden zu einsatzfähigen Systemen kombiniert. Unser Forschungsinteresse liegt auf anspruchsvollen und ungelösten Inspektionsaufgaben.
Variable Bildgewinnung und -verarbeitung
In vielen Industrieanwendungen kann eine relevante Szene nicht mit einer Einzelaufnahme so erfasst werden, dass die relevante Information erkennbar ist. Bildserien mit variierten Aufnahmeparametern (z.B. Kamera Position oder Richtung, Beleuchtungsspektrum oder Lichtpolarisation) erlauben, relevante Informationen über eine Szene zu gewinnen, wie in Bild 1 und 2.
Bild 1: Bildserie mit variierter Fokusposition (links) und das Fusionsergebnis mit der maximalen Schärfe in jedem Punkt (rechts).
Bild 2: Variation des Azimuts einer gerichteten Beleuchtung (links) und das Fusionsergebnis mit segmentiertem Riefenbereich (rechts).
Fortschritte bei den mathematischen Verfahren zur Modellierung, Planung und Auswertung von Bildserien sowie die Verfügbarkeit von günstigen Kamera- und Handhabungssystemen machen solche Verfahren immer interessanter für den Anwender, wenn Standardverfahren der Bildverarbeitung und der automatischen Sichtprüfung für die Aufgabe nicht nutzbar sind oder eine hohe Flexibilität der Inspektion erforderlich ist.
Kompetenzen und Forschungsthemen
Die Forschungsgruppe Variable Bildgewinnung und -verarbeitung (VBV) hat sich zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB (ehemals IITB) zum strategischen Ziel gesetzt, die Möglichkeiten variabler Bildaufnahmesysteme grundlegend zu erforschen und wirtschaftlich nutzbar zu machen. Auf der wissenschaftlichen Agenda stehen wichtige Forschungsgebiete, die zur systematischen Nutzung variabler Bilderfassung und -verarbeitung erforderlich sind:
- Systemtheorie stellt die theoretischen Grundlagen für die Erfassung der Bildserien dar. Ein Schwerpunkt wird auf die Darstellung der verfügbaren Parameterräume und deren gegenseitigen Abhängigkeiten gelegt.
- Variable Aufnahmetechniken. Sie enthält die Identifizierung der Aufnahmeparameter, durch deren Variation zusätzlicher Information gewonnen werden. Zudem enthält sie Techniken zur rechnergestützten und reproduzierbaren Erfassung von Bildserien. Der Fokus liegt hierbei auf der Handhabung der Komponenten der Bildgewinnung, der Entwicklung geeigneter Beleuchtungseinrichtungen sowie der Erarbeitung von Beleuchtungsstrategien und deren experimenteller Umsetzung.
- Fusion von Bildserien um die interessierende Information zu extrahieren.
- Active Vision ist eine Art Regelkreis um die Aufnahmeparameter unter Berücksichtigung vorheriger Ergebnisse zu optimieren. Das üblicherweise in der automatischen Sichtprüfung praktizierte statische „Ansehen“ des Objekts wird durch ein dynamisches „Nachsehen“ ersetzt, welches die die visuelle Inspektion eines Experten nachahmt.
- Inspektion spiegelnder Oberflächen durch Deflektometrie. Dabei beobachtet eine Kamera die Spiegelung eines generierten Musters in der Oberfläche. Forschungsschwerpunkte der Gruppe VBV sind insbesondere die schnelle Defektdetektion mit inversen Mustern, die robotergestützte Prüfung großer Bauteile, die Inspektion teilspiegelnder Oberflächen und die mathematische Analyse des Rekonstruktionsproblems sowie dessen Regularisierung mit Hilfe von.
Infrastruktur und Ausstattung
- Laser-Labor: Ein Industrielaser mit programmierbarem Fokuskopf zusammen mit einem wärmeresistenten Bildschirm stellt beliebige Bilder im thermischen Infrarot dar.
- Deflektometriesensorkopf. Der Sensorkopf besteht aus einem LC-Display als Mustergenerator, mehreren hochauflösenden Videokameras sowie einem sensorintegrierten Steuer- und Auswerterechner. Durch seine kompakte Ausführung kann der Sensorkopf auf einen Industrieroboter montiert werden und ermöglicht somit die Inspektion großer (teil)spiegelnder Bauteile unter gezielt variierter Beleuchtung.
Deflektometrie
Bei der Sichtprüfung spiegelnd reflektierender Oberflächen sieht ein Beobachter im Gegensatz zu diffuser Reflexion nicht die Oberfläche selbst, sondern das Spiegelbild der Umgebung. Dies bereitet üblichen Verfahren zur Bestimmung der 3-D-Objektgestalt – etwa Triangulation oder Shape from Shading – erhebliche Probleme, da diese auf zumindest teilweise diffuse Reflexion angewiesen sind. Die deflektometrische Messmethode nutzt hingegen die spiegelnde Reflexion: Beobachtet werden Spiegelbilder bekannter Muster in der Oberfläche und deren Deformationen. Diese Vorgehensweise entspricht prinzipiell der Inspektion durch den menschlichen Beobachter, der die zu prüfende Oberfläche »ins rechte Licht« hält und nach Störungen in Spiegelbild Ausschau hält .
Ziele
Diese Vorgehensweise, die der Mensch intuitiv beherrscht, birgt jedoch bei der technischen Umsetzung einige Herausforderungen:
- Das Prinzip der Deflektometrie soll in das langwellige, thermische Infrarotspektrum übertragen werden, um sich die abweichenden optischen Eigenschaften vieler Oberflächen in diesem Spektrum zu Nutze zu machen. Hauptaufgabe für dieses Projekt ist die Konzeption eines Mustergenerators für dieses Spektrum.
- Bei Oberflächen, die industriell eingesetzt und genutzt werden oder einfach nur ästhetisch "schön" aussehen sollen wie z.B. Karosserieteile, spielt die spiegelnde (gerichtete) Reflexion oft die entscheidende Rolle. Die visuelle Prüfung spiegelnder Oberflächen stellt jedoch die Prüfpraxis bisher vor große Herausforderungen. Im Vorhaben soll nun ein deflektometrischer Ansatz untersucht werden, und zu einem signifikant verbesserten Prüfverfahren weiterentwickelt werden. In diesem Zusammenhang soll die Verwendung von Wavelet-basierten Verfahren für geometrische Daten aus deflektometrischen Messungen erforscht werden.
- Bei Verwendung handelsüblicher LC-Displays als Mustergeneratoren lassen sich nur kleine Flächen in einer Messung inspizieren. Daher sind mehrere Messungen erforderlich, um die Oberfläche vollständig zu erfassen. Die zugehörigen Parameter der deflektometrischen Messeinrichtung sollen anhand eines automatisierten Verfahrens bestimmt werden.
- Die quantitative Rekonstruktion spiegelnder Oberflächen stellt ein schlecht gestelltes inverses Problem dar, für dessen Lösung Zusatzinformation erforderlich ist. Solche Zusatzinformation wird beispielsweise mittels Lokalisierung eines Bezugspunkts, mittels mehrerer Messungen aus unterschiedlichen Kameraperspektiven oder durch Sensorfusion mit Shape from Shading-Daten erhalten.
- Die echte 3-D-Rekonstruktion der Oberfläche ist rechenintensiv und in Echtzeit oft nicht möglich. Eine Rekonstruktion ist jedoch in der Praxis häufig auch gar nicht erforderlich, wenn es nur darauf ankommt, die Fehlerfreiheit des Prüfobjekts festzustellen. Hier bieten sich Inspektionsstrategien mit sog. »inverser« Anregung an, bei denen ein fehlerfreies Objekt unauffällige Sensordaten erzeugt, die sehr schnell auswertbar sind.