Situationsanalyse in maritimen Überwachungssystemen
- Ansprechpartner: Dipl.-Math. Yvonne Fischer
- Projektgruppe:
Interaktive Analyse und Diagnose
- Förderung: EU FP7 Wide Maritime Area Airborne Surveillance
Projektbeschreibung
Ausgangssituation:
Heutigen maritimen Überwachungssystemen steht eine Vielzahl verschiedener Sensoren mit entsprechenden Signalverarbeitungsalgorithmen zur Verfügung, um möglichst viel Information über das beobachtete Gebiet zu erhalten. Die Erfassung der Objekte innerhalb eines bestimmten Gebiets kann sowohl mittels Satelliten, als auch mittels luftgestützten oder bodengestützten Plattformen durchgeführt werden, wobei die unterschiedlichsten Sensoren zum Einsatz kommen, wie z.B. Küstenradarsysteme, Infrarotkameras, Optische Kameras, aber auch aktive Sensoren wie das Automatische Identifikationssystem AIS. Da die erfassten Informationen über beobachtete Objekte aus unterschiedlichen Informationsquellen stammen, werden diese zunächst an eine zentrale Kontrollstation übertragen und dort auf Objektebene zu einer konsistenten Gesamtsicht fusioniert.
Die so entstandene Repräsentation der realen Welt dient als Basis für weiterführende Entscheidungen, z.B. welche Boote von einer Küstenwache kontrolliert werden sollten bezüglich des Schmuggelns von Menschen oder Drogen. In sicherheitskritischen Anwendungen werden diese Entscheidungen immer noch von Menschen getroffen. Da der Entscheider jedoch eine sehr große Menge an Daten analysieren muss, ist es im Sinne einer effizienten Bearbeitung zwingend nötig, ihn bei seiner Überwachungsaufgabe zu unterstützen und somit sein Situationsbewusstsein zu verbessern.
Lösung:
Das Ziel bei der maritimen Situationsanalyse ist, die aktuelle Situation zu erfassen und über die Zeit hinweg zu analysieren. Die Basis für rechnergestützte Methoden zur Situationsanalyse bildet eine einheitliche Repräsentation der relevanten Umgebung und der darin existierenden dynamischen Objekte. Dies leistet eine am Fraunhofer IOSB entwickelte Fusionsarchitektur, das sogenannte Objekt-orientierte Weltmodell (OOWM). Dem Weltmodell liegt eine Karte der relevanten Umgebung zugrunde und es enthält fusionierte Tracks von beobachteten dynamischen Objekten. Insbesondere können aus dieser generischen, objekt-orientierten Repräsentation Hypothesen über sich gerade entwickelnde Situationen abgeleitet werden, also eine Situationsanalyse stattfinden.
Als Methode für die Situationsanalyse wurde ein probabilistisches Verfahren, ein sogenanntes Dynamisches Bayes-Netz (DBN), gewählt. Begründet wird die Wahl eines probabilistischen Verfahrens durch die notwendige Verarbeitung von Unsicherheiten, welche einerseits dem Interpretationsprozess einer Situation zugrunde liegen, und andererseits aus den Zustandsschätzungen der Signalverarbeitungsmethoden resultieren. Außerdem erlaubt ein DBN die Berechnung einer Hypothese über eine Situation, auch wenn deren Komponenten nicht vollständig beobachtet wurden, z.B. aufgrund einer fehlenden Sensorabdeckung.
Weiter kann das Netz von einem Experten modelliert werden, da speziell für relevante Situationen oft keine Trainingsdaten vorhanden sind. Als Anwendungsbeispiel wurde ein DBN zur Erkennung von Schiffen mit Flüchtlingen an Bord modelliert. Diese weisen spezielle Charakteristika auf, welche im Überwachungsbetrieb ausgewertet werden (z.B. Größe, Geschwindigkeit, Richtung). Als Ergebnis gibt das Netz für jedes beobachtete Schiff eine Wahrscheinlichkeit dafür aus, dass es Flüchtlinge an Bord transportiert. Diese Berechnung, verknüpft mit einer geeigneten Visualisierung, erlaubt eine zeitnahe Beurteilung der Lage und somit auch zeitnahe Entscheidungen.
Die bisherigen Arbeiten wurden im Rahmen des EU-Projektes WiMA2S (Wide Maritime Area Airborne Surveillance) durchgeführt. (http://wimaas.eu/)